Persönlichkeitstypus

Was genau macht eigentlich einen Podcast zu einem Podcast? Ist es mehr als eine im Netz abonnierbare Mediendatei? Die Online-Angebote des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks heißen ja auch Podcasts. Unterscheiden sie sich strukturell von Nicht-Öffentlich-Rechtlichen Podcasts?

Hier habe ich ja schon behauptet, dass es um das ICH geht. (Das ist besonders für Journalisten schwierig, die ihre Rolle des objektiven Betrachters so verinnerlicht haben, dass ein „ich“ wie ein Fehltritt erscheint. So ist das zumindest bei mir.)

Bei den besonders herausstechenden (oft amerikanischen) Podcasts geht es aber noch darüber hinaus. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es ab und an Produktionen, in denen ein Autoren-Ich die Geschichte erzählt. Meistens sind das aber generische, letztlich austauschbare Figuren. Die in ihrer Rolle als recherchierende Journalisten auftauchen, die interessierte Fragen stellen, abwägen, objektiv bleiben. Journalismus eben.

Podcasts können diese Grenze einreißen und die letztlich ebenso fiktionalisierte Figur des unabhängigen Btrachters ablegen, Teil der Geschichte werden.

Ende Oktober beginnt die zweite Staffel einer meiner Lieblings-Podcast-Reihen: „Heavyweight”. Die Selbstbeschreibung lautet: „Jonathan Goldstein goes back to the moment everything changed.“ Goldstein spricht mit Freunden, Bekannten über deren Probleme – und versucht sie zu lösen. Meine Lieblingsfolge: ein Freund ringt mich sich, ob er die CDs, die er Moby vor Jahrzehnten geliehen hat, wieder zurückfordern soll. Goldstein fädelt ein Treffen ein…

Es geht also um persönliche kleine Dramen und absurd aufgeblähte Befindlichkeiten. Es geht aber immer auch um: Jonathan Goldstein. Er stellt seine Persönlichkeit in den Mittelpunkt, seinen Blick auf die Welt. Nur er kann die Geschichte so erzählen. Er macht sich und seine Perspektive einzigartig. Er inszeniert sich (und es ist eine Inszenierung, das ist klar) als leicht neurotischen Schlauberger, der gern ironisch mit großen Begriffen hantiert. Ein verletzlicher Witzbold, dem die Absurdität seiner Großspurigkeiten immer bewusst ist. Er hat eine Familie, er hat eine Geschichte, eine Haltung. In jeder Folge erfahren wir – nebenbei – auch ein bisschen mehr über ihn selbst.

Dieses Prinzip leistet sich in Medien-Deutschland zum Beispiel Harald Schmidt. In den 90ern war die Frage: Wie sieht Harald Schmidt die Weltlage? Bei Jan Böhmermann kann man diesen Prozess auch beobachten. Seine private politische Seite wird immer wichtiger. Bei Oliver Welke von der heute-show übrigens eher nicht. Er ist nur der Jedermann-Witzbold, der einen Ticken besser informiert ist als der Rest von uns.

Nun sind das alles Comedians. Und auch Jonathan Goldstein von „Heavyweight“ ist nur im weitesten Sinne noch Journalist. Er ist vielleicht wirklich eher – Podcaster.

Doch auch im – amerikanischen – Journalismus ist dieser Ansatz möglich. Sarah Koenig wurde als „Serial“-Persönlichkeit sehr sichtbar. (Auch wenn sie natürlich nicht so persönlich und privat wurde.) Aber dennoch war auch hier klar: ich möchte die Geschichte nur von ihr erzählt bekommen. Weil sie einen besonderen Blick hat auf die Geschichte.

Damit ist sie klar abgrenzbar von jedem Autoren im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Wie schön wäre es, wenn  mehr unverwechselbare Persönlichkeiten ihre Geschichten in Podcasts erzählen würden. Auch in Deutschland.