Das grosse ICH

In loser Folge werde ich hier über Podcasts bloggen, die mich inspirieren – und was ich aus ihnen für meine eigene Arbeit lernen kann. Beim Radio, aber auch für eigene Podcast-Ideen.

Ich bin ziemlich spät auf dieser Party erschienen. Im Herbst 2014 stolperte ich über den ersten Podcast meines Lebens, ja, „Serial“, natürlich „Serial“. Was sonst. (Das Linkergooglen erspare ich mir mal, wer das hier liest, kennt „Serial“. Garantiert). Um mal ganz kurz pathetisch zu werden: das hat mich ziemlich umgeworfen. Und mir nach und nach völlig neue Perspektiven eröffnet. Auf meine Arbeit als Autor fürs Radio. Und damit eng verbunden auch den befreiende Punk-Moment verschafft, der natürlich wahnsinnig banal klingt: das kann ich auch einfach so machen. Ohne die Maschinerie des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks im Rücken. Jetzt. Ich.

Damit ist das entscheidende Wort schon gefallen: ICH. Ein Wort, das im deutschen Journalismus immer noch etwas problematisch ist. Ich einnere mich an eine Titelgeschichte, die ich für die „Intro“ geschrieben habe, über die Red Hot Chili Peppers. Ich war damals in Los Angeles, sprach nach tagelangem Herumlungern mit diesem monströs unsympathischen Sänger, plauderte mit jenem grinsenden aber vollkommen desinteressierten Bassisten und schrieb meine Eindrücke nachher auf.

Nun lauert ja im Unterholz des Popjournalismus dieser dauernd herbeizitierte und meistens missverstandenen Mythos Gonzo-Journalismus. Den manche als Freifahrtschein nutzen, lähmend öde Nabelschau zu betreiben und nebenbei ein paar Sätze zum Thema zu droppen. Nicht so mein Ding. Doch damals hatte ich das Gefühl: Ich kann diese Geschichte nur erzählen, wenn ich selber auftauche, als Ich-Erzähler. Weil es um eine subjektive Perspektive auf ein schräges Gesamt-Erlebnis geht. Nach dieser Erfahrung tauchte das Ich in meiner Arbeit für viele Jahre erstmal wieder unter.

Nach der „Serial“-Wasserscheide (nochmal kurz pathetisch, sorry) wuchs dann aber der Gedanke: Vielleicht öffnet das „Ich“ in meiner Arbeit ja doch ganz neue Perspektiven? Und ist nicht nur ein reiner ego-move? Diese Idee unterstützte der zweite große Podcast, den ich entdeckte, „StartUp„. In dem der Ich-Erzähler von seinen Bemühungen berichtet, ein Podcast-Imperium zu gründen. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, sich zum Deppen zu machen. Wie er seinen Businessplan stotternd und stolpernd einem Venture Capitalist vorträgt, gehört immer noch zu meinen Lieblings-Hör-Momenten. Weil er eben nicht der objektive betrachtende, einordnende Journalist ist, sondern ein hoffnungslos überforderter Mensch in einer ungewohnten Situation. Und ich als Hörer werde genau deshalb so in diese Situation hineingezogen.

Mein Feature „Die ganze Welt hat sich verschworen„, das ich für Deutschlandradio Kultur/Breitband gemacht habe, war mein erster Versuch, mich selber einzubringen in eine Geschichte. Ich habe versucht, von meiner eigenen Verwirrung im Netz zu erzählen, dem stundenlangen ohnmächtigen Surfen, dem ziellosen Stolpern über die absurdesten Verschwörungstheorien.

Ich muss es wohl nicht extra erwähnen: Das „Ich“ sollte nicht in jeder journalistischen Auseinandersetzung auftauchen. Es muss gute Gründe dafür geben. Ich denke aber, Podcasts leben von diesem „Ich“, von dieser speziellen Intimität, die entsteht, wenn jemand etwas von sich preisgibt. Das nicht die Illusion von Objektivität aufrechterhalten will. Und das deutsche Radio kann da noch einiges lernen von Podcasts: Vom Mut, von der Radikalität, von der Experimentierwütigkeit. Die nicht nur Radio-Profis sondern auch und gerade Podcast-Amateure mitbringen, die all diese Radio-Regeln, was vermeintlich „geht“ und „funktioniert“ schlicht gar nicht kennen. Und darum wird es hier in den nächsten Folgen gehen.