Warum der richtige Titel so wichtig ist

Als ich das erste Mal von “Atlanta Monster” hörte, winkte ich innerlich schon ab. Ein derart brachialer Titel gab mir folgende Vorstellung: ein reißerlischer, boulevardesker Podcast-Brecher. Und da er im für mich mittlerweile leicht ambivalenten Genre “True Crime” verankert ist, mit all seinen Fallstricken (Voyeurismus, Sensationalismus, Respektlosigkeit den Opfern gegenüber), dachte ich: thanks, but no thanks. Und zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Sekunde gehört.

Als der Hype stieg, hörte ich dann doch mal rein. Und siehe da: “Atlanta Monster” erzählt in zehn Teilen sehr behutsam von dem Schockzustand, in dem sich besonders die afroamerikanische Bevölkerung zwei Jahre lang befand, als immer wieder Kinder spurlos verschwanden. Es geht um Rassismus, gesellschaftliche Mechanismen, um Klassengrenzen: die weiße Bevölkerung nahm kaum Kenntnis von den Verbrechen – weil die Opfer Afroamerikaner waren. Anders gesagt: es geht im Podcast vor allem um den historischen Kontext. Das ist faszinierend und völlig unerwartet, bei dem völlig unsubtilen Namen. Es ist wahrscheinlich dem Kampf um Aufmerksamkeit geschuldet, kann aber eben auch nach hinten losgehen.

Dass ein Name allerdings nicht nur vom Tonfall passen sollte, sondern auch irgendwie herausstechen sollte aus der anschwellenden Flut an Podcasts, das ist die andere Seite. Und das zeigen die Angebote deutscher Medien momentan. Ich zumindest muss oft überlegen, von wem genau “Der Tag”, “Der Aufwacher” oder “Was jetzt” ist. Namensfindung ist sicherlich ein schwieriges Unterfangen bei Nachrichten-Podcasts, aber dennoch. Wenn man nicht aufpasst, verschwindet die Marke völlig und der Name klingt letztlich – banal. Und das ist dann die Kehrseite.

(Auflösung: die drei Beispiel-Podcasts sind vom Deutschlandfunk, von der Rheinischen Post und von Die Zeit.)