Verschlossene Welten

Elon Musk meldet sich per skype, er kündigt an, dass schon sehr bald von ihm ausgewählte Multimillionäre von Raumschiffen abgeholt würden. Am Ende der Reise zum Mars dann aber von sadistischen Robotern quälend langsam umgebracht würden. Schade, aber so wolle er, Elon Musk, es nun mal. Er sei schließlich: Elon Musk. So beginnt die aktuelle Folge vom Polit-Comedy-Podcast “Chapo Trap House“. Und das sind nur die ersten zwei Minuten. Ich brauchte etwas, um zu verstehen, dass das eher nicht Elon Musk ist.

In den nächsten 80 Minuten folgen unzählige Referenzen auf einzelne Tweets amerikanischer Journalisten, Insidergags, Brachialhumor, obskure Romane, schlechte Filme. Es wird gegen die Repubikaner gleichermaßen geschossen wie gegen die Demokraten. Die Podcastbros sehen sich als Neue Linke (Spitzname “Dirtbag Left”) und fordern, dass die Demokraten die Verantwortung für Trumps Sieg übernehmen. Glaube ich. Könnte auch ironisch gewesen sein. Nichts wird erklärt, nichts wird eingeordnet. Kurz gesagt: es ist das reinste Nerdfest. Von schwer politisierten, hochgebildeten Comedy-Nerds. Die Anspielungen auf HipHop-Beefs machen. Mehr Nische geht nicht, war mein Gefühl.

Nunja.

Aktuell sammelt die Crew per Patreon fast 100 000 Dollar ein. Monatlich. Anders betrachtet: rund 20 000 Fans zahlen regelmäßig 5 Dollar.

Offensichtlich ist Chapo zum exakt richtigen Moment aufgetaucht: während der chaotischen Wahl Donald Trumps. Eine zynische, abgeklärte, intellektualisierte Sicht auf die Dinge hat offenbar gefehlt, abseits des Zwei-Parteien-Systems. Dies ist Polarisierungskultur, kein Journalismus.

Das zeigt sich auch formal. Die Folgen beginnen oft mit einem cold opening: Ich werde mitten in eine Diskussion hineingeworfen, orientierungslos irre ich umher, auf der Suche nach dem Lichtschalter. Zu keinem Moment werde ich an die Hand genommen, nichts wird durcherklärt. Durchchoreographierte Sketche gehen übergangslos in ernsthafte Gespräche über, es wird gebrüllt vor Lachen, übereinander geredet, geflucht, beleidigt. Mit anderen Worten: es ist eine sehr abgeschlossene Welt. Der Reiz scheint zu sein, dabei sein zu wollen. Teil der Elite, Teil des Clubs. (Fans versuchen sogar all die rhetorischen Tricks zu entschlüsseln. Allein das ist faszinierend.)

Letztlich: nichts für mich, der Tonfall, die Haltung, die Spezialisierung, die Abgrenzung von jedem, das hat etwas spätpubertäres. Aber der formale Mut, die Phantasie, der Irrsinn,  die Ambition, eine eigene Welt durch einen Podcast zu erschaffen. Der so zeitgeistig ist, ständig in Verbindung steht mit der Gesellschaft. Der keine Angst hat, Hörerschaft zu verlieren, der auf den eigenen Style vertraut. All das ist faszinierend.